Die depperten und die g’spritzten

Ach so, das war also ernst gemeint? Die Damen vor mit räumt gebückt emsig den Wochenvorrat Fleisch und Gemüse vor die Registrierkasse. (Selbstverständlich alles in Bioqualität) Dabei hatte sie mich noch drauf aufmerksam gemacht, als wir uns die kürzere der beiden Schlangen ausgesucht hatte: Ich bin für beide Kassen angestellt. Zugegeben. Wir haben sie nicht ernst genommen. Jetzt lassen wir sie halt, niemand bei Trost stellt sich zwischen Bache und Frischling.

Dann und wann holen wir Milch von diesem Bauernhof, weil sie in Flaschen abgefüllt wird. Schmeckt besser als aus dem Tetrapack, ein kleiner Luxus. Der Verkaufsraum gerammelt voll. Lauter Jungeltern (zumindest die quäkenden Bälger sind jung), die sich ein Stück Natur vom Bauernhof abholen. Die SUVs am Parkplatz tragen Kennzeichen aus dem Speckgürtel: Mödling, Baden und ein paar Frischluftdepperte. Alles unter einem Passat wird bemitleidet. Beträchtliche Anreise, aber ein paar Kilogramm Feinstaub muss Idylle wert sein.

Am Samstag Vormittag öffnet der Bauernhof seine Tore für Besucher. Der Städter darf hinter die Kulissen sehen. Unaufgeregtes Herumflanieren, Hühner, Ziegen, Kühe und Schweine in ihrer natürlichen(Stall)umgebung. Schönbrunn light.

Fröhliche Strohspringen ist das Highlight. Da trennt sich auch die Spreu vom Großstadtweizen. Ich meine in eine H&M-Werbung gestolpert zu sein: Hauben, Vollbärte, Wildalpwasser, Holzhackerhemden. Die Bälger dürfen die Jugend erleben, die ihre Eltern nie hatten: Heu! Eine richtige, juckende, riechende Wiese. Eine dieser Eigenschaften gefällt nicht jeder Mutter: Marvin, steh auf! Liegen soll hier nur das Heu: Schmeiß nicht herum damit, sonst schimpft der Bauer! Dem ist das Wurscht, der hat Wichtiges zu tun: er arbeitet.

Aus dem Gewusel tut sich akustisch eine Dame hervor. Sie ist der Meinung ihre Erfolgsstory müsse der ganze Heuschober hören. Ihr Kind steht unbeholfen herum, sie prahlt mit einer EDV-Umstellung und davon, wieviele Männer unter ihr arbeiten müssten. Der Bub weiß noch immer nicht, was er unter ihr so tun soll in einem Haufen Natur. Sie würdigt ihn keines Blickes, ihre Arme halten ihn blind im 50-cm-Radius, prahlen passiert in Augenhöhe.

Die Wagemutigen springen vom übermannshohen Vorsprung ins Heu. Die nicht wagemutigen auch, werden allerdings von übervorsichtigen Eltern angeleitet: In die Hocke! Konzentrier dich! Gewicht nach vorne! Wart, ich helf dir. Dann wird das Kind unter Gejohle heruntergehoben: Wooooooo! Wie war das?!  Naja, für jemanden, der mit Stehen schon ausgelastet ist, eigentlich recht gut. EDV-Mama ist so stolz: gleich nochmal und hebt den Goldschatz wieder an die Rampe. Dort schaut der verdutzt in die Welt. Mausezahn wär an der Reihe gewesen. Sie schenkt mir einen vorwufsvollen Blick: mach was! Ich? werfe ich schuldunbewusst zurück und grinse: spring halt daneben, is ja eh Platz. H&M-Mama wirft mir einen bösen Blick zu. Da ist Mausezahn schon gesprungen.

Es kommt, wie es kommen muss: ein Bub schnalzt mit dem Kopf beim Aufsprung gegen das Knie, blutige Zunge. Heult, läuft zu Papa, der meint lapidar: Wos is denn? Asso. Auf die Zunga bissn. Geht scho wieder und schubst ihn wieder in Richtung Absprungstelle. Is eh hoat im Nehmen nicke ich dem gelassenen Papa zu. Jo eh.

Auf dem Weg zum Auto stehen die Vordrängerin und die EDV-Mama zusammen. Wieder höre ich unfreiwillig die Geschichte von der Umstellung. Ich sag’s ja: Frischluftdepperte.

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