Flieg, blader Vogel, flieg!

Der Mann schräg unter mir schaut in meine Richtung. Wohin genau erkenne ich nicht, Fliegerbrille. Er winkelt seinen Arm ab, streckt den Zeigefinger nach oben und zeichnet  Kreise in die Luft. Sekunden spätern bin ich in eine weiße Rauchwolke getaucht, ein lautes Brummen und Rütteln erfasst mich. Der Mann, der gerade noch das Zeichen gab zwängt sich an mir vorbei und schlüpft durch die kleine Öffnung vor mir, der Copilot also.

Als sich die Antonov AN-2 in Bewegung setzt rollen wir an einem ausrangierten Helikopter vorbei, die hängenden Rotorblätter erinnern an einen schlafenden Hund. Wenn man an Vorzeichen glaubt, dann ist ein Flugzeugfriedhof kein gutes. Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, du hast Flugangst, weißt du noch? Eigentlich, tja, jetzt ist es zu spät. Ein Zischen reißt mich aus den Gedanken, sorgenvoll schau ich ins Cockpit vor mir: Der Pilot versucht das behäbige Ding um die Kurve zu kriegen, mit hydraulischer Hilfe. Steampunk live.

Wir warten auf die Freigabe zum Start. Schnell noch ein SMS getippselt: Falls das die letzte Nachricht ist, ich liebe euch. Kitsch kann ich. So und das genießt du jetzt, verordne ich mir. Der von 1000 PS getriebene Rotor schiebt die Antonov nach vor, langsam enfernt sich der Schatten von den Tragflächen, wir fliegen! Butterweich, leichte Steigung, wir fliegen. Die Maschine brummt vor sich hin, neigt sich nach links und beginnt ihre Schleife mit ein paar Schissern im Bauch.

Dass der Pilot das eine oder andere mal auf eine Anzeige klopft macht mich zu meiner eigenen Überraschung wenig nervös, genauso die geflickten Tragflächen. Das Ding fliegt seit Jahrzehnten, es wird heute nicht aufhören damit, rede ich mir ein. Kleine Trubulenzen nimmt die Antonov mit links, sie schwimmt ein wenig wie ein heißes Bügeleisen auf einem Block Butter, so unmittelbar habe ich Aerodynamik noch nie erlebt: Ein Windhauch, schawenzeln, ausgleichen, fliegen. Und es macht Spaß!

Zwanzig Minuten später gleiten wir dem Rollfeld entgegen, die letzten Meter über dem Boden geht der Motor in Leerlauf, eine kleines Stottern, aufsetzen, aufpeppeln, nochmal aufsetzen. Alles gut, ich bin erleichtert und euphorisiert. Den Boden hab ich nicht geküsst.

Danke, Paul.

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