Franzi

Wenn ich mir wieder einen Patschen gefahren hatte, dann war klar: ich geh zum Franzi, der konnte das Malheur beseitigen. Ich weiß nicht einmal, ob ich von ihm in der Vergangenheit schreiben soll, vielleicht lebt er ja nicht mehr, ich bin weggezogen. Als Kind hab ich ihn oft gesehen, an das Haustor seines Elternhauses gelehnt, in Schlapfen, die Arme verschränkt, Speichelfäden tropften aus dem Mund. Wenn er mich sah begann er zu strahlen, er winkte mich zu sich, meist auf dem Fahrrad. Er strich mir dann beseelt über den Kopf und murmelte Eichi Oa, eichi Oa. Jahre später sollte ich das Geheimnis entschlüsseln: ich war als Volksschüler strohblond, er meinte wohl meine weißen Haare. Franzi war geistig behindert oder ist es immer noch. Sein Vater hatte es nicht ertragen, dass er Nachwuchs bekommen sollte und schlug auf Franzi ein, im Mutterleib. Er hat es überlebt. Ob das sein Glück war oder nicht, darüber gab es verschiedene Meinungen.

Ich mochte ihn. Mein Fahrrad zu reparieren hat er als großes Glück empfunden. Asphalt war nicht mein liebster Untergrund, darum gab es immer etwas zu tun für ihn. So haben wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Meist schweigend, stille Vertrautheit.  Von ihm weiß ich auch, wie man Räder repariert. Äußerst motiviert hat er mir immer wieder einzelne Arbeitsschritt erklärt. Ich hab manchmal entschlüsselt, was er meint, verstanden hab ich es nie. Besser gesagt selten. Dass er seine Ersatzteile beim Ingaga gekauft hat, habe ich irgendwann rausgefunden, er hat wohl Interspar gemeint.

Manchmal denke ich über Menschen nach, die mir etwas bedeutet haben. Franzi ist einer von ihnen. Er hatte nicht viele Freunde, ich war einer davon.

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