Im Schiffsverkehr zurückgerudert

SchiffsverkehrDa war er wieder! Herbert-Held-meiner-Jugend-Grönemeyer. Was hab ich ihn verehrt! Kein Konzert versäumt. Texte im Schlaf zitiert. Mich von Schulkollegen verspotten lassen. Ja, und sogar mein einziges (sic!) “Sehr Gut” einer Schularbeit hat er mir eingebracht.  Und damit wieder Streberspott.

Irgendwann haben wir uns dann aus den Augen verloren. War ich erwachsen geworden? Oder hat er einfach nur zu sehr auf die bombastischen Produktionen gesetzt? Weil funktioniert hat’s ja. Kaum breitet er den Klangteppich mit Pauken und Trompeten und Streichern aus, schon klingelt die Kasse. War mir ein wenig zu berechnend.

Mir hatten immer Klavier und Stimme ausgereicht. Weil ich ja die Texte wollte. Diese verbogene, gekünstelte, wortschöpfende Sprache beeindruckt mich auch noch heute. Heute. Ja genau. Heute ist sein neues Album erschienen: Schiffsverkehr. Geb ich ihm also nach langem den-verschmähten-Rücken-Zuwenden wieder eine Chance. Oder mir. Je nachdem.

Neues? Auch

Die ersten Gitarrensamples könnten einem PinkFloyd-Album entnommen sein. Feig! Klares Heimspiel. Der Typ will mich linken. Nicht mit mir. Da muss schon mehr daher sein. Tut es auch. Schon stampft es los…

Mit “Kreuz meinen Weg” und “Fernweh” versucht er wieder neue Wege. Elektronik meets Klavier. Hm. Ja. Warum auch nicht. Nicht die besten Nummern aber durchschnittlich hörbar.

Das selbstverliebte, ironische, narzisstische “So wie ich” macht Spaß! “Ich bin so froh, dass es mich gibt”. Schön, dass er wieder lachen kann!

Gewohnte Qualitäten

Mit “Unfassbarer Grund“, “Deine Zeit”, “Erzähl mir von morgen” knüpft an alte, gewohnte Qualitäten an. Liebeslied in moll. Paradedisziplin. Da war es wieder, dieses Stimme-Klavier-Duo. Gedoppelter Gesang. Genuschelt. Schwer. Schön. Text verzaubert. Da war es wieder, das Pipi in den Augen. Schön. Mein Held. Da verzeich ich ihm auch, dass sich Streicher im Tiefflug einmischen.

Wieder gut?

Sind wir also wieder versöhnt? Ja, sind wir! Die Konzertkarten von meinem Schatz waren eine goldrichtige Investition. Nicht weil Grönemeyer sich rückwärts entwickelt und sich wieder aufs Liedermachen besonnen hätte. Im Gegenteil. Er hat sich weiterentwickelt. Genauer. Kraftvoller. Wuchtiger. Dabei immer zerbrechlich. Zerkratzt. Wütend. Das Schicksal hat ihm die eine oder andere Lehrstunde verpaßt. Den Schneid hats ihm nie abgekauft. Chapeau!

“Wäre ich einfach nur feige, ginge ich vielem aus dem Weg. Und es würde viel leichter gelebt”

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