Immer ehrlich ist auch blöd

Eine simple, faktische Aussage kann dann zu Ungemach führen, wenn die Etikette gebieten würde, sich gefälligst auf die Zunge zu beißen. Der gelernte Twitterant weiß das. Der kleine Bub wusste das vor 30 Jahren noch nicht. Leider.

Meine damalige Tante hatte gerade den Arbeitgeber gewechselt. Frosta, Tiefkühlsuper oder so ähnlich hieß er, jedenfalls war es eine Innovation der Lebensmittelindustrie: tiefgekühltes Fertigessen. Stolz darauf Teil eines Innovationsführers zu sein brachte sie uns Kostproben: Heidelbeer und Apfelstrudel. Tiefgekühlt und mit allem, was der Lebensmittelindustrie damals noch nicht verboten war. Es war ein lukullisches Minenfeld. Noch heute schmecke ich, wie sich diese Geschmacksexplosionen (Minenfeld, Explosionen, du verstehst?) ausgewirkt haben. Der Rest der Familie wandte sich angewidert nach dem zweiten Bissen ab. Für mich stellte damals wie heute ein nicht-leerer Teller keine Verschwendung von Lebensmitteln sondern eine Herausforderung da. Mit absehbarem Ergebnis.

Tante war ein paar Tage später selbst zu Besuch und man huldigte kollektiv der tollen, gesellschaftsverändernden Techologie, dem Fortschritt der Küchentechnik, die die Nahrungsmittelherstellung in Österreichs Familien revolutionieren würde. Einfach ein Wahnsinn, was heutzutage schon alles möglich ist! Ich hab mir das alles angehört, Beitrag konnte ich dazu keinen leisten. Was wusste ich schon davon.

Als sich Tante auf den Weg machte und durch den nächtlichen Garten auf den Weg ihrem Auto machte, war kein Mensch mehr auf der Straße. Im Gehen fragt sie: “Wie haben euch eigentlich die Strudel geschmeckt?” Meine Familie log gesellschaftstauglich: “Ja, war sehr gut. Ratzeputz aufgegessen, gerne wieder!”  Tante war bereits ausser Sichtweite, ich musste ihr meinen Beitrag lauthals hinterherwerfen: “Und ich hab danach gespieben!”

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