Neulich in der Bank

Ich brauche Bargeld, wir können uns die Küche endlich leisten und morgen wird sie montiert. Die nächste Bankfiliale ist gleich um’s Eck. Kein Glaspalast, gediegene Patina. Der Schalterraum kreisrund, griechische Säulen mit dunklem Marmor verkleidet erinnern an die goldenen Zeiten des Geldinstitutes. In der Mitte eine Statue, stilvoll und starr verleiht sie dem weitläufigen, aber niedrigen Raum Würde.

“Ich möchte bitte achttausend Euro von meinem Konto abheben”, bitte ich die Dame hinter dem Schalter nicht ganz ohne Stolz und reiche ihr die Kundenkarte. “Gerne”, quittiert sie lächelnd mein Anliegen und tippt flink auf der Tastatur. Wow! Endlich die neue Küche. Wir haben lang darauf gespart, die Freude ist riesig. Mit Apothekerschrank und geräuschlos schließenden Laden. Fast schon beschämender Luxus. Ich seh uns schon gemeinsam dreigängige Menüs zaubern. “Es gibt da ein Problem”, unterbricht die Dame meine Gedanken. “Problem?”, erwidere ich. “Ja, ich sehe gerade, Ihr Kreditkonto wurde überzogen. Sie haben einen Fehlbestand von über vierzigtausend Euro angehäuft. Wenn wir den mit dem Girokonto abgleichen, ist Ihr Rahmen ausgeschöpft. Tut mir leid”, klärt sie mich auf. Ich verstehe nicht, “Kreditkonto? Welche Abbuchungen?”. “Das darf ich Ihnen leider nicht sagen”, winkt sie ab, “Bankgeheimnis”. “Aber, ich versteh das gerade nicht. Ich verwende die Kreditkarte gar nicht”, entgegne ich, “die hat mir Ihre Kollegin aufgeschwatzt. Für alle Fälle meinte sie. Die Karte liegt seither unbenutzt zu Hause”. “Das kann sein, soweit ich sehe, ist das in einer anderen Filiale geschehen”, langsam wird sie ungeduligt, “ich begleiche nun also das Kreditkonto mit ihrem Girokonto”. “Nein!”, schrei ich sie an, “das hab nicht ich abgebucht”. Die Menschenschlange hinter mir wird unruhig. “Das muss ein Missverständnis sein. Die Kreditkartenfirma ist doch für solche Fälle versichert. Ich kann mir das auch gar nicht leisten. Vierzigtausend Euro! Wo denken sie hin!?” Die Damen wird unwirsch. Sie hat offensichtlich kein Interesse auf meine Forderung einzugehen. “Es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben. Ich kann Ihnen gerne ein Finanzierungsangebot machen”.

Eine Schweißperle brennt in meinem rechten Auge, das Hemd klebt am Körper, der Tinnitus macht sich schrill bemerkbar. “So hören Sie doch! Ich hab das Geld nicht! Ich hab diese Schulden nicht gemacht!”, schrei ich unbeholfen. Mein Elend genießt nun volle Aufmerksamkeit des Raumes, der drückend eng geworden ist. “Tun sie was!”. Die Schalterdame drückt einen roten Kippschalter neben dem Keyboard und deutet an das Ende des Raumes. In einem Glaskobel unterhalb des Plafonds geht ein Licht an. In einem Lederfauteil thront ein grauhaariger Mann. Anzug, Manschettenknöpfe, dunkle Krawatte, joviales Lächeln. Er sieht mich an, wiegt den Kopf zur Seite, hebt die Schultern und grinst. Das war’s also. Das Urteil gefällt, die letzte Hoffnung dahin. Ich muss zahlen, ich bin ruiniert. Mir wird heiß, mein Gesicht brennt als stünde ich in Flammen, der Nacken schmerzt, ein Schrei steckt mir in der Lunge. Ein tiefer Luftzug, meine Verzweiflung bahnt sich den Weg frei. Ich packe die Dame am Halse, zieh sie nah an mich ran. Plötzlich verliehrt sie ihre Spannung, sackt in sich zusammen wie ein Basketball, der die Luft verloren hat, ich lass sie los. “Was hab ich getan!”

Ich schrecke auf. Dunkelheit. Wo? Wo bin ich? Wo ist sie? Als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen erkenne ich mein Schlafzimmer. Das Herz rast weiter. Die Atmung verlangsamt sich. Ich hab sie also nicht …? Ich bin erleichtert. Geh in die Küche um ein Glas Wasser zu trinken. Am Hausflur geht das Licht an, ich höre Schritte und ein schleifendes Geräusch. Ich öffne die Wohnungstür, die Zeitung liegt am Boden. An Schlaf ist jetzt ohnehin nicht mehr zu denken. Jetzt erst mal Kaffe. Am Frühstückstisch schlag ich die Zeitung auf. Mit der Schlagzeile kommt der Schweiß wieder zurück: “Finanzminister beschließt: die Hypo bleibt dem Steuerzahler”

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