Gehversuche

Das Areal hinter dem Bahnhof Purkersorf ist ruhig. Dann und wann rollt ein Anrainer durch die 30er-Zone. Im Halbstundentakt macht der Schienenbus Halt und entlässt geräuschlos Pendler aus Wien. Die Gegend ist beschaulich. Nur zwischen sieben und acht Uhr, da ist alles anders. An Schultagen.

Dann erinnern die Straßen rund um die Volks- und Sonderschule an die Stoßzeit am Wiener Gürtel. Besorgte Eltern steuern ihre Karossen im Schritttempo möglichst nahe vor den Schuleingang um die wertvollste aller Frachten in den grausigen Alltag zu entlassen. Jeder freie Meter wird dem eigenen Vorteil untergeordnet: schneller, wichtiger, dringender. Von außen betrachtet ein unwürdiges Schauspiel. Und gefährlich obendrein, weil eilige Wende- und Ausweichmanöver. Erst ich, dann… ach ja.. die anderen.

Solange Mausezahn in der Volksschule war, konnte ich unmittelbar beobachten, wie um Lösungen gerungen wurde. Meist verkopft und von der Maschekseite: Kiss & Go-Zonen, Kurzparken, Reden, Verkehrsplaner vom Land Niederösterreich wurden konsultiert. Geholfen haben die Bemühungen wenig. Das Verkehrschaos wurde prolongiert, halt mit mehr Schildern. Warum? Gute Frage. Ich vermute, dass Angst eine starke Motivation ist. Die Kinder müssen geschützt werden, um jeden Preis. Da kommt so eine rollende Stahlhülle ganz gut zu pass. Aber wie gesagt, ist nur eine Vermutung.

Jetzt gehen kluge Köpfe einen anderen Weg. Gemeinsam wurde ein Projekt ins Leben gerufen, das sich “Coole gehen zur Schule” nennt. Der Name ist Programm: die Schüler gehen zu Fuß einen Teil des Schulweges. Im Idealfall den ganzen. Tadaaaaaa! Keine Staus, keine Emissionen und vor allem: neue Selbständigkeit für die Kinder. Die Schüler werden mit Schrittzählern ausgestattet und können sich so als Klassen miteinander messen. Mehr Infos dazu findest du hier.

Mich freut es von Herzen, dass hier eine solch praxisnahe und hirnvolle Lösung angestrebt wird. Ich wünsche dem Projekt alles Gute und gratuliere den Organisatoren jetzt schon zum mutigen und klugen Ansatz!

Und wer weiß, vielleicht wird das Areal hinter dem Bahnhof demnächst zwischen sieben und acht Uhr ein wenig lauter. Weil Kinder Straßen beleben.

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