Vorlesen: neuer Versuch

Romantische Vorstellungen sind so eine Sache: sie scheitern gar zu oft an der Realität. Mein Steckenpferd ist dabei das Papadasein.  Der gelebte Alltag kann sich mit diesen überzogenen Vorgaben dann g’frettn oder scheitern, halt nicht mithalten.

Eines der Bilder, die ich von meinem Kind und mir habe, ist das abendliche Vorlesen. Kuschelig unter der Decke zusammengekauert, gespannt die aufgeschlagenen Seiten mit inbrünstiger Stimme zitieren, Mausezahn gebannt von märchenhaften Abenteuern. Ach wie schön! Nun, der geneigte Leser wird sich die Realität denken können: Mausezahns Sache ist das Zuhören nicht. Solange Bilder im Spiel sind ist alles paletti. Sobald die Text-Bild-Relation zu Gunsten der Bilder ging, war es vorbei mit der Aufmerksamkeit. Während ich noch rezitierte blätterte sie schon weiter, auf der Suche nach … ja, Bildern. Unausweichlich kam das “ich will nicht mehr lesen”. Also lies ich es bleiben. Ich machte einen gedanklichen Strich drunter. Sie ist halt der visuelle Typ, wie es so schön heißt. Bücher sollten Mausezahn ans Herz wachsen. War wohl nicht.

IMG_3118Vor ein paar Tagen erzählte mir eine Freundin, dass sie Fernsehen auf ein Minimum reduzierten und sie ihren Kindern stattdessen vorlas. Bücher ohne Bilder, seitenlang, stundenlang. Innerlich entkam mir ein Seufzer. Ach wie wär das schön! Davon angesteckt wagte ich schön am nächsten Tag einen neuen Versuch: Astrid Lindgren sollte es richten. Wer wenn nicht sie? Mit ‘Michel aus Lönneberga‘ startete ich einen Anlauf um Mausezahn vom Vorlesespaß zu überzeugen. Es hat geklappt! Seither vergeht kein  Tag an dem wir nicht vor dem Einschlafen noch ein Abenteuer des kleinen Lausebengels gemeinsam durchleben. Völlig aufgekratzt ist dann nicht so schnell an schlafen  zu denken. Erst muss die Geschichte noch einmal durchbesprochen werden: Ob ich sie denn für Geld nach Amerika schicken würde und ob Papas Zehe in der Mausefalle noch immer weh tut usw. Als würde die Geschichte gerade noch einmal passieren! Wie Kino im Kopf. Sie ihres und ich meines.

2 Gedanken zu „Vorlesen: neuer Versuch“

  1. Ach das ist toll, gibt mir Hoffnung. J war als er noch kleiner war (er ist jetzt 2 und 2 Monate) der totale Fan und ich las ihm stundenlang vor. Mittlerweile sind die Bücher mit mehr Bildern und weniger Text interessanter, werde die Technik mal probieren 🙂

    ps. Das mit dem Vorlesen, bei der OMA, da klappt das total! Ohne Wiederworte! Ohne weiterblättern!

    LG Jen

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    • 😀 same here. Bei Omas und Freunden stand vorlesen immer hoch im Kurs. Bloß daheim lange Zeit nicht. Das war dann meine Lektion: Es gibt für alles seine Zeit.

      PS: Freu mich, dass du es bis “K” geschafft hast! *hofknixerl*

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