Gedanken zum Welt-AIDS-Tag

Ich bin schon wieder zu spät. Welt-Aids-Tag war gestern. Da wollte ich euch von Manuel erzählen. Einer wunderbaren Seele, die ich vor einigen Jahren kennen gelernt habe. Manuel war immer sehr kümmerlich, hat versucht seine Freunde zu unterhalten, ihnen ein offenes Ohr zu schenken, wenn sie eines brauchten. Manuel hat organisiert, veranstaltet. Er wollte immer Menschen um sich, glückliche Menschen. Ich glaub auch, dass ein Teil unseres Antriebs gleich gestrickt ist. Wir haben uns oft wortlos verstanden, haben im gleichen Wertepool gefischt und die Welt aus ähnlichen Blickwinkeln gesehen. Unser gemeinsamer, tiefsitzender Faible für Ludwig Hirsch ist kein Zufall. Bestimmt nicht.

Auch, wenn ich von Manuel in der Vergangenheitsform rede und AIDS das Thema ist: Manuel ist nicht tot. Er lebt und erfreut sich bester Gesundheit. Und doch rede ich von ihm in der Vergangenheitsform, weil es ihn in der Form, wie ich ihn kennengelernt habe, nicht mehr gibt. Als ihn die Diagnose HIV überrollte, wollte er uns, seinen Freunden, weiß machen, dass das ja eh alles nicht so schlimm wäre, dass einem langen Leben nichts entgegen stünde. Alles recht easy. Das war wohl der Schock. Anschließend hat er den Job, die meisten seiner Freunde, Partnerschaft und Halt verloren. Diese beschissene Geißel hat ihn aus seinem sozialen Leben geschnalzt.

IMG_0048In dieser für meinen Freund so schweren Phase hat sich unter mir der Boden aufgetan. Auch wegen Manuel, aber eigentlich wegen einer ganz anderen Geschichte. Mein persönliches Armageddon ließ mich selbst nach rettenden Händen suchen. Wir hatten ein geniales Timing: gerade als jeder den anderen brauchte, war der mit seiner eigenen Hölle beschäftigt. Und so kam es, dass wir uns aus den Augen verloren.

Bis vor einigen Tagen, als wir durch Zufall wieder Kontakt gefunden hatten. Wir starten einen neuen Anlauf. Ich weiß, dass Manuel es wieder auf die Beine geschafft hat, einen Job, eine Partnerschaft, eine Lebensaufgabe. Ich bin nicht sicher, wie sehr der ursprüngliche Manuel verschütt gegangen ist.  Meine Zuneigung zu Manuel besteht nach-wie-vor. Tatsache ist, dass die Krankheit ihn verändert hat. Ich freu mich auf jeden Fall darauf, ihn wieder kennen lernen zu können, alte Geschichten ausgraben und über’s Leben sinnieren zu können.  Und vielleicht die eine oder andere Wunde, die wir uns geschlagen haben, wieder kitten. Mal sehen.

Was ich damit sagen will: Manuel lebt. AIDS ist keine tödliche Krankheit mehr. Das heißt noch lange nicht, dass sie nicht die Macht hat, dich aus deinem Leben zu reißen. Und diese Tatsache hat auf der leichten Schulter nix verloren. Hoffentlich bin ich nicht wieder zu spät.

PS: Manuel ist natürlich nicht sein richtiger Name. Auch das sollte zu denken geben.

1 Gedanke zu „Gedanken zum Welt-AIDS-Tag“

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