Nervös

Mausezahn und ich Strohwitwer. Also essen auf der Couch, fernsehen ohne Ende und ins Bett natürlich ohne zähneputzen. Die Verlottertheit war nur noch durch Abendessen beim Schachtelwirt zu toppen. Anfahrt mit dem Auto, ein VW, Diesel obendrein. Wir sind so schlecht ohne Aufsicht.

Auf dem Weg zum Burgerlokal beobachte ich mit Mausezahn an der Hand eine erst alltägliche Szene: Ein Pärchen auf schmalem Gehsteig, sie mit Einkaufstaschen behängt.  Eine Dame im Gegenverkehr weicht auf die Straße aus, Handtasche und Einkaufstasche stoßen zusammen. Die Damen verständigen sich mit Blicken: “Tschulligung”.  Die Szene wäre erledigt, würde sich nicht der Begleiter zum Affen machen. Schiebt der Gegenverkehrsdame Oberkörper und Unterkiefer entgegen: “Wos is?!”. Das fragende Gesicht seines Gegenübers fordert ihn zu einem gebrüllten “Wos is wü i wissen!!” auf. Die Dame erklärt sich, es habe doch eh eine Entschuldigung gegeben, sie verstehe das Problem nicht. “Wos stöst di so deppert?!”, will der Gorilla dennoch wissen, Kabelsalat inklusive. Seine Begleitung zerrt an seiner Jacke, Abgang.

Nach Burger noch Eis vom Schwedenplatz. Eh zu Fuß. Viele Touristen sind  am Stephansplatz unterwegs, Raumordnung kaum vorhanden. Ich habe Mausezahn an der Hand. Menschen kreuzen unsere Wege scheinbar plan- und  ziellos.  Eine Dame schneidet uns recht forsch. “Ist ganz schön viel los”, plaudere ich. “Ja, aber so unfreundlich muss sie nicht sein”, trotzt Mausezahn. “Sie ist doch eh ausgewichen?”, frage ich nach. “Schon, aber sie hat mich angezischt: schleich di!”.

Natürlich darf ich nichts in punktuelle Ereignisse hineininterpretieren. Viele weitere Beobachtungen zusammen ergeben aber eine für mich recht klare Tendenz:  die Menschen sind angespannt. Ängste, Sorgen, Nöte, warum auch immer, die Ellbogen sind ausgefahren.

Natürlich darf ich mir von “der Politik” keine Wunder erwarten, natürlich ist sie auch nicht direkt für eine Stimmung in einer Gesellschaft verantwortlich. Ganz unbeteiligt ist sie auch nicht. Darum kann und werde ich am Sonntag keinen Bundespräsidenten wählen, der das Trennende vor das Einende stellt. Ich möchte Ruhe und Besonnenheit an der Spitze des Staates sehen, nervös sind wir ohnehin schon.

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