Still welcome – Tag 15

Mittwochkurs. Nach Monaten des Unterrichts verliert die Situation an Aufregung, Regelbetrieb kehrt ein. Es passiert immer öfter, dass sich keine Lehrer für die Unterrichtseinheit finden und ich einspringe. Mir macht es noch immer Spaß, eigentlich sogar mehr noch als zu Beginn, mittlerweile reichen die Sprachkenntnisse, die einen Austausch möglich machen.

Über Familienmitglieder zu sprechen ist verfänglich. Dass das Thema schwer ist, fällt mir erst auf, als ich nach Geschwistern und deren Name frage. Die meisten haben einen Bruder oder eine Schwester die “ist tot” heißt. Sie tragen auch den selben Nachnamen: “von Bombe”.  Jassin weint, als er mir von seinen Brüdern erzählt, ich gerate in Verlegenheit. Achmet versucht die Situation zu retten: “kein Problem”.  Doch, es ist ein Problem und es lässt sich nicht ausklammern.

Achmed selbst hat den Unterricht neulich versäumt. Heute entschuldigt er sich, er sei traurig gewesen. Sein Freund sei wieder zurück in den Irak. Ich komme nicht umhin diese Erzählung -wie die meisten anderen- in einem misstrauischen Kontext zu sehen. Warum kann er sich einen Flug leisten? Was hat ihm denn nicht gepasst? Warum ist er überhaupt weg, wenn zu Hause bleiben anscheinend auch eine Option ist. Warum andererseits ist Achmed hier geblieben? Es fuckt mich an, dass mich diese Dissonanz begleitet, dass ich den ganze Müll, den ich mir in den Sozialen Medien angelesen habe,nur schwer wieder los werde.

Das Bauchgefühl und der persönliche Umgang mit den Menschen zeichnet ein gänzlich anderes Bild, als ich in Medien vermittelt bekomme: da sucht jemand nach Möglichkeiten, nach Gelegenheiten hier Fuß zu fassen. Jeder Satz wird aufgeschrieben und aufgesaugt, auch wenn dabei Gehirnwindungen knacken.  Nach 90 Minuten sind sie fertig. Immer dankbar und höflich. Hartes Brot für Mathematiklehrer, Musikproduzenten und Fluglotsen, eine Sprache zu lernen, die der eigenen so gar nicht nahe ist. Ich versuche nebenbei ein paar Fetzen Arabisch zu lernen, da knarzt es dann bei mir gehörig.

Einfach ist das alles nicht.

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